Mit „Glaube, Sitte, Heimat – Ein Schwank vom Schützenfest“ liefern Autor Jochen Enste und Illustrator Kai Bornemann ihren ersten Roman ab. Doch wie konnte es soweit kommen?
Auf machts-euch-schoen.de stellen die beiden gebürtigen Warsteiner den „Sauerländer Schützenfest-Schwank“ vor. Und um allzu investigativen Journalisten-Fragen aus dem Weg zu gehen, wenden der Kölner PR-Berater und der Rektor einer Grundschule in Hennef einen raffinierten Trick an – sie interviewen sich einfach gegenseitig. Ein Sauerländer Zwiegespräch:
Enste: Na, das geht ja gut los! Schon das Intro ist fehlerhaft: Du bist doch gar kein richtiger Warsteiner! Du bist hinterm Stimm-Stamm aufgewachsen!
Bornemann: Ganz richtig! Ich bin in Meschede-Wallen aufgewachsen – aber wie du in Warstein geboren. Als Aufhänger für diesen Beitrag wird das genügen müssen. Abgesehen davon: Obwohl es in Warstein und Rüthen Gymnasien gibt, hast du in Meschede Abitur gemacht. Das zeugt ja nun auch nicht unbedingt von Heimatortstreue.
Enste: Wie bitte?! Natürlich bin ich heimattreu – ein echter Wöske! Ich kann das Warsteiner-Lied auswendig, alle Strophen, selbst mit 1,8 Promille. Naja, vornehmlich mit 1,8 Promille … Egal – fest steht: Wenn ich nach langer Zeit zum ersten Mal wieder den Kölner Dom am Horizont erkenne, geht mir das Herz auf. Wenn ich auf der Mescheder Landstraße um die Kurve biege und die alte Kirche wiedersehe, geht’s mir mindestens genauso…
Bornemann: Du hast es bereits angedeutet – du bist Wahl-Kölner und lebst mit deiner Familie auf der „Schäl Sick“. Freiwillig?
Enste: Ich habe sieben Jahre am Eigelstein gewohnt, nebenan ein Puff und gegenüber ein Stundenhotel. Da konnte ich mich mit der „Schäl Sick“ unmöglich verschlechtern. Aber ich will mal etwas ausholen: Geboren und aufgewachsen bin ich in Warstein. Ich besuchte die Lioba-Schule, später die Realschule in Belecke und im Anschluss dann das Gymnasium der Benediktiner in Meschede. Während dieser Zeit jobbte ich u.a. als freier Redakteur bei der Westfalenpost. Nach Abitur und Wehrdienst in Lippstadt ging ich nach Köln, arbeitete u.a. bei einer Filmproduktionsfirma und als Kino-Redakteur und stieß 1995 schließlich als freier Mitarbeiter, später als festangestellter PR-Berater, zum Team von Position Public Relations der Kick-Media AG. Ich bin verheiratet und wir haben einen Sohn, der im Gegensatz zu mir hoffentlich später mal etwas Vernünftiges lernen wird … Reicht das zu meiner Vita?
Bornemann: Ehrlich gesagt, so genau wollte ich’s gar nicht wissen. Aber Full Time-Job, Familienvater und dann noch ein Buch schreiben – geht das denn überhaupt?
Enste: Klar geht das! Es dauert halt nur zwanzig Jahre … Aber jetzt darf ich dir sicher auch mal eine Frage stellen.
Enste: Wir haben uns über unseren gemeinsamen Freund Heiner Bartsch, der seit vielen Jahren die „Sauerländer in Köln“-Stammtische organisiert, kennengelernt. Wie wurdest du „Sauerländer in Köln“? Du lebst im malerischen Hennef an der Sieg. Da hättest du doch eigentlich gleich im Sauerland bleiben können?
Bornemann: Das ist eine lange Geschichte.
Enste: Ich hab’s befürchtet.
Bornemann: Geboren im Jahr 1977 in Warstein, wurde ich im Anschluss recht zeitnah ins Mescheder Umland verpflanzt, wo ich dann auch aufwuchs. Nach dem Abitur am städtischen Gymnasium und Zivildienst an der „Oase“ der Abtei Königsmünster folgte ein Studium an der Uni Paderborn. Nach dem Referendariat im tiefsten Ruhrpott wurde ich Lehrer in Bonn, schließlich Schulleiter in Troisdorf und damit wie du – wenn auch mit etwas längerer Anfahrt – „Sauerländer in Köln“. Et voilà!
Enste: Worum geht es in unserem ersten Buch, du hast es doch hoffentlich gelesen?
Bornemann: Natürlich hab‘ ich. Also … zumindest auszugsweise. Aber erzähl du doch mal, du kannst das als Autor doch besser!
Enste (seufzt): War klar! Aber meinetwegen: Im Mittelpunkt der Story steht Dorfpunk Locke, der von seiner kumpelhaften Freundin Bobby dazu verpflichtet wird, in den Kappelner Jungschützenverein einzutreten, um ihren Schwarm Martin Vorwall von der attraktiven Klara von Klarbach fernzuhalten, die unbedingt als Schützenkönigin in die Annalen des Dorfes eingehen will.
Bornemann: Und dann landet ein Raumschiff …
Enste: Nein, da landen keine Raumschiffe! Sag‘ mal, du hast das Buch ja wirklich nicht gelesen?!
(seufzt abermals tief)
In jedem Fall sieht sich Locke bei dem Gedanken ans Kappelner Schützenfest bereits gefesselt und geknebelt an der Vogelstange baumeln, die Gewehrläufe von einem Dutzend schießwütiger Jungschützen auf ihn gerichtet. Trotzdem hängt er die Lederjacke für ein paar Tage an den Nagel und zieht das Schützensakko über. Aber da die Toten Hosen in der Regel nun mal nicht im Musikantenstadl auftreten, beginnt für den „langhaarigen Bombenleger“ eine haarsträubende, biergetränkte Tour de Force in die wundersame Welt der Traditionspflege. Ein Crashkurs in Sachen „Glaube, Sitte, Heimat“…
Bornemann: … doch auch die Kappelner Jungschützen selbst haben in diesem Jahr mit allerlei Problemen zu kämpfen: Eine geplante Fernsehdokumentation läuft komplett aus dem Ruder und ein Versöhnungsversuch mit den Schützen des Nachbarortes Stoppeln gründlich schief. Außerdem erweist sich der neue Schützenvogel als völlig ungeeignet und eine böse Intrige rund um Martin und Klara droht das komplette Schützenfest zu sprengen. Kurz: Wer auch immer den Vogel abschießt, in diesem Jahr werden sie wohl alle in die Annalen des Dorfes eingehen …
Von wegen, ich habe das Buch nicht gelesen!
Enste: Da bin ich beruhigt.
Bornemann: Wie entstand die Idee zu der Geschichte?
Enste: Pfingsten 1990 hockte ich als ordentlicher St. Sebastianus-Junggesellenschütze vor einem frisch gezapften Pils in der kleinen Sauerlandhalle in Warstein. Ich las den „Glaube, Sitte, Heimat“-Schriftzug über der Konzertbühne und dachte: Das wäre doch eigentlich ein geiler Name für einen Film! Als ich dann später in den 90ern mein erstes Drehbuch schrieb, erinnerte ich mich an diesen denkwürdigen, bierumsäuselten Nachmittag – die Idee zu „Glaube Sitte Heimat – Ein Schwank vom Schützenfest“ war geboren. Ich begann intensive Recherchen zu dem Thema. Kurz: Ich habe mit meinem guten Freund Christoph Hiegemann, damals 1. Hauptmann der Warsteiner Junggesellenschützen, und dem damaligen Schützenvorstand, jedes Schützenfest im Warsteiner Umland unsicher gemacht. Und im Anschluss gab’s dann immer eine „Heiße Hexe“ von der Tanke in Belecke. Das war eine im besten Sinne des Wortes spirituelle Erfahrung! Spätestens da wurde mir klar, dass ich das Thema „Schützenfest“ auf gar keinen Fall „bierernst“ angehen wollte. Die Schützen hier haben einfach einen absolut einzigartigen Humor …
Bornemann: Aber produziert wurde das Drehbuch dann doch nicht.
Enste: Ich hatte zwar einen Produzenten gefunden, der mich auch weiterhin als Autor unterstützen wollte. Die Produktion des Films scheiterte dann aber in der Finanzierungsphase und der Stoff landete in der Schublade. Vor etwa zwei Jahren begann ich schließlich aus einer Laune heraus, das Drehbuch von damals in Erzählform zu bringen. Und das hat mir so viel Spaß gemacht, dass die Idee eines klassischen Buches bald konkrete Formen annahm. Der Rest war ein Spaziergang.
Bornemann: Ein Spaziergang? Entschuldigung, aber das Ganze hat mehr als zwanzig Jahre gedauert!
Enste: War halt ein längerer Spaziergang.
Bornemann: „Glaube, Sitte, Heimat“ – das Motto des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften – bietet ja durchaus Angriffsfläche, es kritisch-satirisch zu hinterfragen.
Enste: Tatsächlich sollte das ganze ursprünglich eher eine Satire werden – was sich ja in der Figur Konrad Fellers durchaus noch widerspiegelt. Letztendlich war mir das Thema – waren mir die Schützen aber einfach viel zu sympathisch. Und somit blieb es bei dem Versuch eines Verrisses. Es wurde ein Schwank. Die Schützen gewinnen, und das ist auch gut so!
Bornemann: Was ist dir beim Schreiben wichtig? Gibt es da so etwas wie ein Motto?
Enste: „Glaube, Sitte, Heimat“ war ja ursprünglich ein Drehbuch. Und ich wollte die schnelle Abfolge der Bilder und damit die zügige Erzählgeschwindigkeit beibehalten. Mein Lektor Jens Feldmann hat mich da sehr abgeholt. Wenn es ein Motto gibt, dann vielleicht: „Bloß nicht langweilen!“
Bornemann: Gab es reale Vorbilder für die Figuren in der Geschichte?
Enste: Nein. Und sollte sich da jemand wiedererkennen, wäre das tatsächlich reiner Zufall. Natürlich habe ich mir Namen ausgeliehen und Geschichten und Begebenheiten aus verschiedenen Sauerländer Orten und Vereinen zusammengetragen – kräftig durchgerührt und mit einer ordentlichen Prise neu Erfundenem gewürzt. Es muss aber wirklich niemand denken, dass er sich da wiederfinden könnte – weder im Positiven noch im Negativen.
Bornemann: Jetzt aber endlich auch mal zu mir. Frag‘ mich doch mal, wie ich Illustrator geworden bin!
Enste: Sag‘ mal Kai, wie bist du eigentlich Illustrator geworden? Und hätte man das vielleicht irgendwie verhindern können? (lacht) Nein, im Ernst: Ich war von deinen Zeichnungen sofort angetan. Du bist echt ´n Komiker! Hast du dir das selbst beigebracht?
Bornemann: Tatsächlich habe ich schon als Kind gerne die Bilder in der Tageszeitung verschönert. Besonders gerne habe ich Nasen und Ohren vergrößert oder den Menschen lustige Hüte aufgesetzt.
Enste: Das klingt nach wahrer Kunst!
Bornemann: Nicht wahr? Gerne hab ich auch Familie, Freunde und Verwandte in Karikaturen verunglimpft. In der Schule war ich im vordigitalen Alter dafür zuständig, die Plakate für Partys oder Filmabende zu kreieren. Ich habe Comics gemalt und Plakate, Flyer usw. entworfen. Für Tom Astors Kinder-CD „Kinder-Country-Party“ habe ich Bilder für das Booklet gemalt.
Enste: Tom Astors Kinder-CD?! Das lässt sich natürlich nicht toppen. Aber jetzt hast du meinen Schützenfest-Schwank visuell aufgehübscht, wofür ich dir sehr dankbar bin. Wenn ich ein Buch lesen soll, frag‘ ich nämlich auch immer als erstes: Hat das denn auch Bilder…?
Bornemann: Die hat es ja jetzt.
Enste: Ja, Gott sei Dank. In jedem Fall hat die Zusammenarbeit mit dir großen Spaß gemacht.
Bornemann: Das Kompliment kann ich zurückgeben.
Enste: Komm‘, wir gehen ein Pilsken trinken.
Bornemann: Oh ja, gerne! Veltins?
Enste: Warsteiner natürlich! Du Komiker …
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